Jugendliche in ihren vielfältigen Potenzialen stärken – Straßenfußball als Ansatz in der Schulsozialarbeit
Jugendgewalt nimmt an deutschen Schulen zu, wie die aktuellsten forsa-Umfragen des Verbands Bildung und Erziehung zeigen (VBE, 2022). Während in der Politik viele nach härteren Strafen rufen, wird besonders an Schulen auch die Frage nach Prävention gestellt. Der Schulsozialarbeit kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Weshalb Schüler*innen mehr beteiligt werden sollten, wodurch Vorurteile abgebaut werden können, wie junge Menschen stärker für ihre Talente statt ihrer Defizite wahrgenommen werden, warum sich die Perspektive von und auf sie dadurch verändert und welche Rolle das KICKFAIR Bildungskonzept darin spielen kann, zeigen die Alltagserfolge an der Hornbergschule in Mutlangen.
„Wir sind alle verschieden. Jede und jeder von uns bringt eine Vision, eine Idee, eine Meinung oder einen Vorschlag in unser Team ein. Es ist okay, wenn wir uns einmal nicht einigen, wir können Konflikte haben. Doch dahinter stehen immer wir, die Menschen.“
Juan Burgos, KICKFAIR-Partnerorganisation Chigol, Chile
Es ist Mittwoch. Die 5. Schulstunde läuft. 18 Jugendliche unterschiedlichen Alters sitzen eng nebeneinander in der vorderen Reihe eines Klassenzimmers und schauen auf einen Laptop. Ein YouTube-Video läuft. Zu sehen ist ein junger, südamerikanischer Mann, der gemeinsam mit Kindern an einer deutschen Schule Straßenfußball spielt, mit ihnen Späße macht und es merklich genießt. Dann fragt er sichtlich emotional in die Kamera: „Wie geht es dir, wenn du nicht gefragt wirst, ob du mitspielen willst? Wenn andere dich ausschließen? Wenn andere dich nicht so akzeptieren, wie du bist?“. In einfachen Worten erklärt Juan im Video, dass ein Konflikt mit einer Person von dem Menschen dahinter zu trennen ist. Für ihn bedeutet Vielfalt, dass alle Menschen unterschiedlich sind und wir das genauso anerkennen. Er führt aus, dass wir im Straßenfußball Vielfalt leben, denn „alle, Große, Kleine, Mädchen und Jungen” können mitmachen. Nach guten zwei Minuten endet das Video. In der Gruppe beginnt ein Erwachsener zu sprechen, der bisher kaum aufgefallen war. Jürgen Breunig fragt die Schüler*innen, was Konflikte und Vielfalt aus ihrer Sicht miteinander zu tun haben. Die Jugendlichen beginnen, ihre persönliche Bedeutung von Vielfalt aufzuschreiben, um Juan damit zu antworten. Schließlich macht sich die langsam unruhig werdende Gruppe Jugendlicher auf den Weg in die Sporthalle, um dort ebenfalls Straßenfußball zu spielen.
Jürgen Breunig ist Schulsozialarbeiter. Der partizipative, prozessoffene Ansatz des KICKFAIR Bildungskonzeptes ist für ihn ein prädestiniertes Feld für die Schulsozialarbeit. Über den Träger Franz von Assisi gGmbH ist er seit elf Jahren an der Hornbergschule tätig. Seit rund einem Jahr erhält er dabei starke Unterstützung durch seine Kollegin Hannah Mack – auch für sie ist der Straßenfußball zu einem zentralen Instrument ihrer täglichen Arbeit geworden. „Wie wollen wir als Gemeinschaft dastehen und miteinander umgehen? Was bedeutet Vielfalt? Die Kids an unserer Schule haben sehr unterschiedliche Biografien: Manche kommen vom Dorf, andere aus der Stadt. Einige Kinder haben einen Migrations- oder Fluchthintergrund. Es treffen wirklich viele verschiedene Hintergründe aufeinander. Darum sind diese Fragen zentral. Die Schulsozialarbeit hat auch das Ziel, Begegnung und Verbindung zu schaffen. Dafür bietet KICKFAIR in vielerlei Hinsicht wertvolle Lösungsansätze, denn es holt die jungen Menschen dort ab, wo sie stehen und bietet ihnen die Möglichkeit, sich auszuprobieren.“, erläutert Jürgen Breunig.

In der Sporthalle angekommen, stellt sich die Gruppe eigeninitiativ in einen Kreis. Anis eilt mit einem Stapel großer Bildkarten herbei, verteilt sie in der Mitte und stellt sich dann zu den anderen. Lorena weißt mit dem Zeigefinger auf eine der Karten. „Nicht in Ecken drängen“, sagt sie mit ruhiger Stimme. Die anderen nicken. Zwei weitere Jugendliche zeigen auf andere Karten. Nachdem Übereinstimmung in der Gruppe erreicht ist, sammelt Anis die Karten wieder ein. Kurz darauf wirft er einen Fußball in die Mitte und die anderen beginnen zu spielen. Unter ihnen ist auch Jürgen Breunig.
