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Youth Leader Biografie: Maren

„Jüngeren zu helfen und ihnen ein gutes Gefühl zu geben, wenn sie sich unsicher fühlen, macht mir viel Spaß. Es fällt mir leicht, mich in sie hineinzuversetzen und deshalb klappt’s meistens sehr gut.“

Ich kam mitten im Schuljahr in die neue Klasse. Mir war sehr bewusst, dass es für mich nicht leicht sein würde, in der neuen Schule Anschluss zu finden, da ich ein introvertierter Mensch bin. Alle waren miteinander befreundet. Nur ich stand ganz allein in der Ecke – so fühlte es sich an. Ich brachte es nicht über mich, auch nur einen Ton von mir zu geben. In den Augen meiner Mitschüler*innen schien ich offenbar anders zu sein. Vielleicht lag es daran, dass ich stotterte. Ich fühlte mich nicht wahrgenommen, manchmal sogar gemieden. Die Hürde, etwas zu sagen, mich einzubringen und auf andere zuzugehen, schien mir unüberwindbar.

Und auch mein Status als Sonderschülerinn war in dieser Situation nicht hilfreich. Auf der einen Seite sorgte dieser Status dafür, dass meine Noten besser gemacht wurden. Andererseits gab er mir das Gefühl, weniger intelligent zu sein als die anderen. Am schlimmsten war es beim Vorlesen. Ich war nie besonders gut darin, und wenn dann auch noch die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse auf mir lag, blockierte ich völlig. In solchen Momenten wollte ich am liebsten im Boden versinken.

Maren bei ihrem ersten Festivalbesuch in Stuttgart (2018).

Mein großer Ausgleich war schon immer der Sport. Sport hilft mir in jeder Lebenslage, um mich besser zu fühlen. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum ich mich für die KICKFAIR AG interessierte. An die genauen Details, wie ich zu KICKFAIR kam, erinnere ich mich nicht mehr, dafür aber umso mehr daran, wie ich mich bei meinem ersten Besuch des KICKFAIR Festivals in Stuttgart fühlte. Bei der Anreise war ich sehr nervös und verunsichert – wieder eine neue Umgebung und die Erwartungen an mich selbst, mich dort zurechtzufinden.

Aber vor Ort war alles ganz anders. Meine Ängste, nicht wahrgenommen zu werden und mich allein und unwohl zu fühlen, waren vom ersten Moment an wie weggeblasen. Die älteren Jugendlichen kamen sofort auf mich zu und hießen mich willkommen. Ihre Offenheit und Zugänglichkeit war ansteckend und sorgte dafür, dass sich auch die Jüngeren trauten, miteinander zu sprechen. Durch die gemeinsamen Workshops und das Straßenfußball spielen fiel es auch mir viel leichter, auf andere zuzugehen. Durch das gemeinsame Interesse am Straßenfußball merkten wir, dass wir alle gar nicht so verschieden sind – und genau darum ging es bei allen Aktivitäten und Gesprächen, unsere Gemeinsamkeiten. Mein Stottern, der Sonderschulstatus und all die anderen Dinge, die meinen Schulalltag oft bestimmten, waren weit weg. Das Gefühl, einfach nur als die Person wahrgenommen zu werden, die ich bin, und die vielen Gemeinsamkeiten mit den anderen zu entdecken – das ist für mich bis heute ganz eng mit KICKFAIR verbunden.

Maren (Zweite von rechts) mit dem Jugend-Orga-Team ihrer Schule (2019).

Die Erfahrungen in Stuttgart lösten meine Probleme im Schulalltag zwar nicht auf, aber ich begann, mich selbst anders wahrzunehmen.

In der KICKFAIR AG sind wir als Jugendliche selbst gefordert Straßenfußball-Aktivitäten auf die Beine zu stellen. Es hilft, wenn man gerne vor einer Gruppe spricht, aber genauso wichtig sind Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein – genau diese Fähigkeiten zeichnen mich aus. Ich habe sie lange nicht als solche wahrgenommen und für selbstverständlich gehalten. Bei KICKFAIR bin ich immer eine der ersten, die kommt, um den Court aufzubauen und Dinge vorzubereiten. Meine Ruhe empfinde ich mittlerweile auch als Stärke. Ich denke lieber nach, bevor ich etwas sage. Es ist nicht meine Art, viel über mich zu erzählen und mich darzustellen. Ich möchte anderen ein gutes Gefühl geben, wenn ich etwas sage. Manchmal brauche ich dafür gar keine Worte, denn auch eine kleine Geste kann helfen. Die Erkenntnis, dass ich diese Talente habe, hat mein Selbstwertgefühl gestärkt. Dadurch wurde auch mein Umgang mit anderen Themen im Schulalltag einfacher. Auch wenn ich noch immer nicht gerne vorlese und ungerne vor großen Gruppen spreche, fühle ich mich besser, weil ich von allen Seiten viel Unterstützung spüre. Zu wissen, dass ich mit meinen Problemen nicht alleine bin, hat mir viel Kraft gegeben. Ich bin sehr stolz, dass ich es geschafft habe, den Status der Sonderschülerin „loszuwerden“ und meinen Abschluss zu machen.

Im letzten Sommer kam dann der nächste große Schritt: Raus aus der Schule, raus aus der Klasse, in der ich mich eingelebt hatte, raus aus der KICKFAIR Jugend-Orga-Gruppe, die mir so viel bedeutete – und rein in die Ausbildung. Mit dem Wissen um meine Stärken war mir schnell klar, dass ich in einem sozialen Beruf arbeiten wollte, aber möglichst ohne Gruppen anleiten zu müssen. So begann ich meine Ausbildung in der Pflege. Um mir den Übergang in das neue Umfeld etwas zu erleichtern, half ich bereits während meines letzten Schuljahres in einer Pflegeeinrichtung aus. Es ist eine sehr anstrengende Arbeit, die mich fordert und gleichzeitig sehr erfüllt. Jeden Tag kann ich Menschen helfen und ihnen das Leben erleichtern. Trotz der Anstrengung bin ich voller Tatendrang – wenn ich irgendwann meine Ausbildung abgeschlossen habe, möchte ich mich auf jeden Fall weiterbilden. In der Krankenpflege zum Beispiel. Oder als Rettungssanitäterin.

Die Ausbildung fordert mich sehr, auf meine eigenen Grenzen zu achten, mich nicht zu übernehmen und auch mal meinen Kopf abzuschalten. Den nötigen Ausgleich finde ich in meinem Engagement bei KICKFAIR. Allerdings nicht mehr unter der Woche an meiner alten Schule, sondern deutschlandweit in meiner Freizeit in einer ganz neuen Rolle – als Youth Leader.

Wenn ich auf Festivals fahre, bin ich jetzt an der Planung beteiligt, überlege mir Workshop-Inhalte, begrüße die Kids und gebe meine Erfahrungen an sie weiter. Den Jüngeren zu helfen und ihnen ein gutes Gefühl zu geben, wenn sie sich unsicher fühlen, macht mir sehr viel Spaß. Es fällt mir leicht, mich in sie hineinzuversetzen und deshalb klappt’s meistens sehr gut.

Großes Engagement: Auch nach der Schule ist Maren als Youth Leader für KICKFAIR am Ball.

Die Menschen, die Stimmung und die ganz besondere Gemeinschaft bei KICKFAIR motivieren mich. Mit den vielen Jugendlichen aus ganz Deutschland bin ich über die Jahre zusammengewachsen. Auch wenn wir uns nicht oft sehen, so teilen wir die Leidenschaft und Begeisterung, uns gemeinsam für ein tolles Miteinander zu engagieren. Mit unseren unterschiedlichen Charakteren, Hintergründen und Talenten ergänzen wir uns. Irgendjemand hat immer genau die richtige Idee, den entscheidenden Tipp oder das nötige Wissen, um den Workshop noch besser zu machen. Wenn es nach mir geht, kann es so weitergehen.

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