„Man wächst mit jeder Begegnung“ – Izur über seine Entwicklung mit KICKFAIR und internationale Perspektiven
Izur Melfi, geboren 2002 bei München, hat an der Max Mannheimer Mittelschule in Garching die Mittlere Reife gemacht. Heute absolviert er eine Ausbildung zum Sportkaufmann an der Macromedia Akademie in München. Schon früh kam er dort mit KICKFAIR in Kontakt. Was mit dem Spielen von Straßenfußball begann, wurde für Izur zu einem wichtigen Teil seines Lebens. In seinem Beitrag erzählt er, wie er nach der Schule den Weg zurück zu KICKFAIR fand, wie er durch verschiedene Erfahrungen selbstbewusster wurde – und warum ihn das Engagement für junge Menschen und der internationale Dialog bis heute prägen.
Als ich mit 16 Jahren von der Schule abgegangen bin, gab es kein KICKFAIR mehr für mich. Mir war nicht klar, dass ich hätte weitermachen können. Es fanden zwar Treffen statt, aber durch meine Ausbildung bei ALDI hatte ich keine Zeit mehr dafür. Ich musste – je nach Schicht – schon um 4.30 Uhr morgens aufstehen und bis 20 Uhr abends arbeiten. Da war ich oft viel zu müde, um noch etwas anderes zu machen. Dabei habe ich KICKFAIR komplett vergessen.
Aber ich blieb in Kontakt mit zwei Freunden von KICKFAIR, und einer von ihnen hat mich irgendwann gefragt, ob ich an einem Workshop teilnehmen möchte. Ich bin eine sehr schüchterne Person, das weiß jeder, der mich kennt. Immer wenn wir in fremden Gruppen waren, auch in der Klasse, habe ich nie meinen Mund aufgemacht, mich nie getraut, mich an einer Diskussion zu beteiligen. In dem Workshop merkte ich dann: Hey, die Kids hören mir zu, sogar die Lehrer. Ich habe keinen Grund schüchtern zu sein. Das hat mir einen großen Push gegeben.

Izur im Workshop beim bundesweiten Festival in Stuttgart (2018).
Das KICKFAIR-Konzept hat meine Schule sehr inspiriert, sie hat das Motto „Ich, Du, Wir gemeinsam“ übernommen, Vielfalt bekam eine größere Bedeutung. Der Gedanke der drei Halbzeiten wurde auf den Unterricht ausgedehnt, das heißt, wir Schüler haben Inhalt und Form mitbestimmt, auf Augenhöhe mit den Lehrer*innen gesprochen. Dadurch habe ich die Schule ganz anders erlebt, als es zum Beispiel in den Erzählungen meiner Eltern klang. Und auch der Schule hat es geholfen, den damals neu eingeführten Ganztagsunterricht besser umzusetzen.

Izur mit seinen guten Freunden und KICKFAIR-Kollegen Mehmet (links) und Marcin (rechts) beim UNITY Festival in München (2021).
Zu dieser Zeit habe ich auch gemerkt, dass KICKFAIR nicht nur innerhalb der Schule stattfindet, sondern auch außerhalb. Dass man sich auch über die Schulzeit hinaus an dem Projekt beteiligen und Workshops geben kann, hat mich motiviert. Ich war nach meiner Ausbildung orientierungslos, habe nichts gemacht, und dass KICKFAIR wie aus dem Nichts auftauchte, das habe ich fast wie Schicksal empfunden.
Ich höre immer von den Erwachsenen, dass die Kids sich in der Schule nicht konzentrieren können, dass sie nicht zuhören. Wenn wir da sind, dann hören sie uns zu, machen was für die Schule und organisieren etwas für die Jüngeren. Das macht mich stolz. Ich sehe, wie dieses ständige Miteinander-Regeln-verhandeln andere Menschen aus uns macht, uns in der Persönlichkeit erweitert. Das ist mein Verständnis von Erfolg.
2021 habe ich mit den Workshops begonnen und war seitdem in ganz Deutschland unterwegs. Am Anfang war es ein bisschen wie ein Job, mittlerweile ist es ein wichtiger und zentraler Teil meines Lebens.
Mit dazu beigetragen haben sicher auch die internationalen Erfahrungen, die ich mit KICKFAIR und Football-Learning-Global machen durfte. Wirklich eindrücklich war die Tour durch Deutschland mit Ingrydh und Richars, zwei Gästen aus Brasilien und Kolumbien. Vor Beginn der Reise war ich gespannt und ein wenig unsicher, ob ich der Verantwortung gewachsen sein würde. Meine Rolle war entscheidend, da ich nicht nur die Workshops begleitete, sondern durch meine Sprachkenntnisse in Spanisch und etwas Portugiesisch das Bindeglied zwischen den beiden und den Schüler*innen war. Es war eine Herausforderung, die ich aber mit der Zeit immer mehr als Chance begriff. Ich habe gelernt, wie viel Freude und Wert es bringt, anderen zu helfen, sich in einem fremden Land zurechtzufinden und dabei selbst so viel zu lernen.



Izur in Workshops mit Ingrydh aus Brasilien und Richars aus Kolumbien quer durch Deutschland (2022).
Es war faszinierend zu sehen, wie diese gemeinsame Leidenschaft für den Straßenfußball kulturelle Unterschiede überbrückt. Ingrydh und Richars halfen mir mit ihren Perspektiven, meine eigene Rolle als Gastgeber und Vermittler besser zu verstehen. Wir haben uns gegenseitig inspiriert: sie durch ihre Offenheit und Neugier, ich durch meine Erfahrungen in Workshops mit Jugendlichen hier in Deutschland. Die Reise war zwar anstrengend, aber auch voller Highlights. Das waren vor allem Momente, in denen ich sah, wie sich die beiden immer wohler fühlten.

Die umgekehrte Erfahrung konnte ich auch schon machen, als ich nach Indien zu einem internationalen Straßenfußball-Festival gereist bin. Die Begegnung mit jungen Menschen aus der ganzen Welt hat mir gezeigt, wie verbindend der Straßenfußball sein kann. Ein Highlight war für mich der Austausch über unterschiedliche Lebensrealitäten und Träume. Trotz aller Unterschiede wurde mir klar, wie ähnlich wir uns als Menschen letztlich sind. Diese Erkenntnis bestärkt mich in meinem Engagement, denn genau diese Unterschiedlichkeit ist es, die unser Miteinander im Straßenfußball ausmacht.