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Youth Leader Biografie: Gabriel

„Flamengo Rio de Janeiro – ich liebe Fußball und noch mehr „meinen“ Klub. Er ist meine Verbindung in die Heimat. Kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht an ihn denke oder mit alten Freunden aus Brasilien über ihn spreche. Bedeutet das automatisch, dass ich gerne Fußball Spiele? Nein. Viele wundern sich darüber, finden es paradox. Mir macht es nichts aus, dass ich nicht besonders gut kicken kann. Ich habe auch gar keine große Lust darauf. Bei KICKFAIR muss ich nicht mitspielen oder irgendeinem Stereotyp entsprechen, um dabei zu sein. Ich bringe mich mit dem ein, was ich kann und mag – genau deshalb fühle ich mich hier so wohl.“

Als ich in der 6. Klasse aus Brasilien nach Norddeutschland kam, konnte ich kein Wort Deutsch und an meiner neuen Schule kannte ich niemanden. Ich bin ein sehr positiver Mensch, rede viel und gerne, mache Scherze. Mich nicht ausdrücken zu können in einer komplett neuen und unbekannten Umgebung, war wirklich nicht leicht für mich. „Wir probieren es“, entschieden wir als Familie: „Wenn es nicht klappt, dann gehen wir zurück nach Brasilien.“ Mit der Zeit konnte ich Deutsch zwar immer besser verstehen, doch mit dem Sprechen klappte es noch nicht so recht. Ich traute mich nicht, mich so zu verhalten, wie ich eigentlich bin, weil ich smart rüberkommen und nicht ausgelacht werden wollte – besonders im Unterricht.

In der 7. Klasse fing mein neues Leben in Deutschland erst richtig an. Denn genau zum Schuljahresbeginn fand das jährliche KICKFAIR-Festival in Stuttgart statt und es sollte für mich ein ganz besonderes Erlebnis werden. Aus Neugier und ohne genau zu wissen, worauf ich mich einlasse, kam ich spontan mit. Ich wollte nach dem schweren ersten Jahr mal wieder rauskommen, um etwas anderes zu sehen und zu erleben. Die Nervosität, die ich bei der Ankunft noch spürte, verschwand sehr schnell. Irgendetwas war hier anders. Alle, unabhängig ihres Alters und egal, woher sie kamen, waren offen und nett. Ich habe mich sofort willkommen gefühlt. Bei diesem Festival spielte es plötzlich keine Rolle mehr, ob man in die siebte oder neunte Klasse geht. Selbst das Verhältnis zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen war auf einmal enger. Wenn ich daran zurückdenke, sind meine Erinnerungen durchweg positiv. Für einen Moment waren die Schwere und meine Unsicherheiten aus dem ersten Jahr wie weggeblasen. Wir reisten als Gruppe von Mitschüler*innen an und fuhren als Freunde wieder zurück in den Norden.

„Bei KICKFAIR braucht man keine guten Noten, um jemand zu sein. Hier habe ich verstanden, dass auch andere Fähigkeiten und Talente gefragt sind.“

Aus Stuttgart brachten wir eine neue Perspektive und ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl mit. Fortan war ich fester Bestandteil der KICKFAIR AG. In diesem Rahmen traute ich mich, ganz ich selbst zu sein, meine Meinung zu sagen, Vorschläge einzubringen und Scherze zu machen – ohne Angst, etwas Dummes zu sagen und ohne Druck, etwas leisten zu müssen. Im Schulunterricht geht es immer um Noten und Dinge, die man tun muss. Ich muss besser rechnen und ich muss besser lesen können. Oder auch, ich muss besser Deutsch sprechen und ich muss besser kicken können. Das baut innerlich großen Druck auf. Um zu verstehen, dass Noten keinen besseren oder schlechteren Menschen aus dir machen, muss man es erlebt haben. Dafür gibt es wenig Raum an der Schule, aber bei KICKFAIR habe ich ihn gefunden.

Hier geht es nicht um das, was ich machen muss und vielleicht noch nicht so gut kann. Ganz im Gegenteil! Es geht darum, meine eigenen Stärken zu entdecken und Potenziale zu entfalten. Bei KICKFAIR finden alle ihren Platz und bringen sich auf ihre Weise ein. Während manche kicken und andere organisieren, bin ich am Moderieren, denn ich rede gerne und habe keine Hemmungen, vor vielen Leuten Späße zu machen. Durch die Erfahrungen in Stuttgart und mit der KICKFAIR AG gewann ich schnell eine neue Selbstsicherheit, die sich sehr bald auch auf den Unterricht übertrug, als hätte sich in mir ein Schalter umgelegt.

„Wenn bei KICKFAIR gelacht wird, dann gemeinsam, nicht übereinander.“

Die Jüngeren an meiner Schule sind oft unsicher, frustriert und untereinander auch mal aggressiv im Umgang, denn sie sind mit sich selbst und ihren Unsicherheiten beschäftigt. Ich kann mich gut in sie hineinversetzen und weiß, welche Herausforderung ein neuer Start oder auch eine neue Sprache mit sich bringt. Durch die Straßenfußball-Turniere, die wir an unserer Schule organisieren, vergessen sie für einen Moment ihre Probleme und haben einfach Spaß. Dabei sind die Fairplay-Regeln ganz entscheidend. Denn so nehmen wir Rücksicht aufeinander und unsere persönlichen Bedürfnisse. Wenn wir in der Dialogzone stehen und die Spiele nachbesprechen, hören viele zum ersten Mal, wie andere bestimmte Situationen wahrnehmen. Es ist ein erster Schritt aufeinander zu. Je mehr wir uns miteinander beschäftigen, desto besser gehen wir auch miteinander um. Ein Teil von etwas zu sein und dazuzugehören, genauso wie man ist – das ist es, was sich so gut anfühlt. Genau deshalb möchte ich es auch den Jüngeren ermöglichen, diese Erfahrungen zu machen. Wenn sie erleben, wie es sich anfühlt, willkommen zu sein und keine Angst vor negativen Reaktionen zu haben, stärkt sie das als Personen sehr, aber auch die Gemeinschaft.

Ich kam zu KICKFAIR, weil es sich gut anfühlte. Doch durch mein Engagement gestalte ich nun sogar das Miteinander an meiner Schule mit. Daraus lerne ich auch viel für mein Leben und meine Zukunft. Es sind genau die Fähigkeiten, die ich hier weiterentwickeln und Erfahrungen, die ich hier sammeln kann, die mir später weiterhelfen werden. Dazu gehört das Organisieren von Turnieren, die Zusammenarbeit im Team oder auch der Umgang mit verschiedenen Persönlichkeiten. Ich möchte nach meinem Abschluss im Sommer weiter zur Schule gehen und mein Abitur machen. Mein Ziel ist es, Internationale Beziehungen zu studieren. Ich bin überzeugt, dass dieser Bereich mit meinem Hintergrund und meiner kommunikativen Art sehr gut zu mir passen wird. Das ist allerdings noch etwas hin. Vorerst freue ich mich auf das nächste KICKFAIR-Festival. Macht euch auf die Atmosphäre gefasst, wenn ich dort das Mikrofon in die Hand bekomme und meine Musik anschließe. Wäre nicht das erste Mal, dass wir als KICKFAIR-Team einen Schulhof ins Maracanã verwandeln. (Das Maracanã ist das Fußballstadion von Flamengo Rio de Janeiro.)

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