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KICKFAIR in Offenburg – ein Ort, an den alle immer wieder zurückkehren.

„Bei KICKFAIR fühlen wir uns alle verbunden. Deswegen ist das auch bis heute ein Ort, an den jeder immer wieder zurückkehren kann – wenn man neue Motivation braucht, oder Beheimatung sucht. Da ist immer die Stütze da, egal was ist. Und genau dafür übernehmen wir immer wieder Verantwortung – das den Kids näher zu bringen. Das für unsere Kids im Stadtteil zu haben, ist für uns enorm wichtig. Wir „Alten“ wollen da sein und unsere Erfahrungen teilen. Hier bekommst du Raum. Hier findest du deine Rolle. Hier bekommst du Anerkennung.“ (Aydel, Youth Leader & Vorstand bei KICKFAIR)

Es ist Mittwochnachmittag. Im Stadtteil und Familienzentrum am Mühlbach in der Offenburger Nordweststadt wird es laut. Wie jeden Mittwochnachmittag. Denn da trifft sich das KICKFAIR Team. Wer jetzt denkt, da koordiniert das pädagogische Personal eine Gruppe Kinder und Jugendlicher, hat weit gefehlt. Denn die koordinieren sich selbst. Die Älteren sind Youth Leader, wie Andi, Aydel, Chris, Jessi, Maher, Mazen, Saher und viele andere. Sie waren früher auch mal die Kleinen, die zu den Großen aufgeschaut haben. Heute geben sie ihr Wissen an Jüngere weiter und gestalten mit ihnen gemeinsam KICKFAIR. Denn das ist das Prinzip: Jugendliche sind selbst die Protagonist*innen und Expert*innen ihrer Projektaktivitäten.

In Offenburg ist dies eine ganz besondere Erfolgsgeschichte. Hier gibt es KICKFAIR schon seit 16 Jahren. Die Jugendlichen der ersten Stunden wie Saher, Jessi, Aydel, Mazen und Co. stehen heute mit beiden Beinen im Berufsleben. Sie sind Unternehmer*innen mit einem eigenen Döner-Laden, einer eigenen Tanzschule, einer eigenen Putzfirma. Oder Journalistin beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, Jugend- und Heimerzieher in der Jugendarbeit Offenburg. Manche studieren – Betriebswirtschaft oder auf Lehramt – zum Teil an den renommiertesten Universitäten des Landes.

Aber völlig egal, was sie beruflich machen: Sie gehen alle ihren Weg und haben ihren Platz in der Gesellschaft gefunden.

Das war nicht immer so. Mazen, heute 25 Jahre alt, erinnert sich:

„In der Nordweststadt kommen viele verschiedene Kulturen zusammen. Ich bin zum Beispiel 2001 mit meiner Familie aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet. Die ersten Jahre waren schwer. Ich war ein Typ, der immer Ärger gemacht hat. Ich hatte keinen Bock auf Regeln, war eher ein Einzelgänger. Mit KICKFAIR habe ich die Chance bekommen, mich so zu entwickeln, wie ich gerne möchte. Ich habe mich nicht mehr so alleine gefühlt, habe Beheimatung und meinen Platz in Offenburg gefunden.“

In der Offenburger Nordweststadt sehen sich viele Kinder und Jugendliche vor große Herausforderungen gestellt. Viele Familien haben eine Fluchtgeschichte. Für manche Eltern bleibt Deutsch eine Fremdsprache. Die Abläufe und Systeme sind oft nur schwer zu verstehen. So sind sie auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen, die eigentlich selbst Unterstützung bräuchten. Klaus Dietrich ist Schulsoziarbeiter im Stadtteil und hat die Entwicklungen von Anfang an intensiv mitgeprägt. Bis heute ist er eine wichtige Bezugsperson für KICKFAIR-ler*innen aller Generationen. Er beschreibt:

„Das Gefühl, ständig unter Druck zu stehen oder fremd zu sein war für viele junge Menschen hier allgegenwärtig. Es gab oft Reibereien zwischen Jugendlichen – gerade zwischen den unterschiedlichen Schulen im Schulzentrum.“

Mit KICKFAIR kam 2007 ein Ansatz in die offene Jugendarbeit im Stadtteil- und Familienzentrum, mit dem sich das nachhaltig verändert hat.

„Auf einmal hatten die Kinder und Jugendlichen eine gemeinsame Identifikation. Hier konnten sie ihre Regeln selbst bestimmen. Sie konnten gemeinsam Turniere organisieren, zusammen Dinge tun. KICKFAIR hat sie verbunden – über alle Differenzen hinweg. Ein völlig neuer und lebensnaher Zugang zu Lernen und Bildung, in dem die Jugendlichen wichtige Kompetenzen erwerben, lernen mit Konflikten umzugehen und an Selbstvertrauen gewinnen.“

Seit 2007 haben die Jugendlichen in Offenburg viel erreicht und mit KICKFAIR eine einzigartige Erfolgsgeschichte geschrieben. Mit zahlreichen Straßenfußball-Festivals und Turnieren quer durch die Stadt – ob im Parkhaus, auf dem Marktplatz, auf dem Messegelände oder im Schulzentrum – haben sie sich und ihr Engagement in der Kommune bekannt gemacht.

Jessi, die heute als Journalistin arbeitet, blickt zurück:

„Wir haben gelernt, einfach auch zu machen, haben bei der Stadt Offenburg angerufen und gesagt, wir spielen auf dem Marktplatz. Wir dachten: Irgendwie kriegen wir das schon hin. Und wir haben es hinbekommen! Das macht KICKFAIR für mich bis heute ganz besonders – das Teamgefühl und das miteinander arbeiten. Hier stellt sich niemand in den Mittelpunkt. Alle bringen sich mit den eigenen Fähigkeiten ein. Meine Kolleg*innen und Chefs sagen ganz oft – boah, du kannst das so gut. Das müssen wir unbedingt ausbauen. Und ich frage mich ganz oft, woran liegt das eigentlich? Und ich kann es nur auf KICKFAIR zurückführen!“

Als genau dieses Team haben sie nicht nur sich selbst, sondern immer wieder auch andere inspiriert. Die Liste beeindruckt: Sie wurden von Roland Mack in den Europapark eingeladen und durften den Tribute to Bambi entgegennehmen. Dr. Wolfgang Schäuble haben sie von sich überzeugt, der sie 2009 besuchte. Dennis Aogo war bei ihnen, ebenso der ehemalige Profi-Boxer Axel Schulz – er wurde sogar Schirmherr von KICKFAIR. Diese Rolle hat seit 2012 Fredi Bobic inne, der nach wie vor eng verbunden ist.

Immer wieder haben sie KICKFAIR bei nationalen und internationalen Straßenfußball-Festivals vertreten – ob in Köln, Bremen, Hamburg oder München, in Belgrad, Lyon oder Tel Aviv. Dazu meint Maher, Youth Leader im Standort:

„Wenn wir bei anderen Turnieren waren, waren wir fußballerisch immer mit Abstand die schlechtesten und haben buchstäblich jedes Spiel verloren. Aber wir haben den Fairplay Pokal geholt. Das macht mich bis heute stolz. Den Jugendlichen sag ich auch immer: Man muss nicht der beste Spieler sein. Der Spaß steht im Vordergrund. Und ich kann dann immer beweisen: hier ist der Pokal – und der ist größer, als der Sieger-Pokal.“

Genau mit dieser Haltung haben sie entscheidend dazu beigetragen, dass KICKFAIR 2021 den renommierten Laureus Sports for Good Award bekommen hat.

Mit ihrem Engagement und ihren Fähigkeiten haben sie es geschafft, dass KICKFAIR mit dem wöchentlichen Treff im Stadtteil- und Familienzentrum, mit regelmäßigen Veranstaltungen im Schulzentrum, mit mehreren KICKFAIR Gruppen in der Werkrealschule und in der Grund- schule fest verankert ist. Dabei sind die jungen Menschen selbst im Lead. Sie geben Workshops für Jüngere, begleiten diese auf ihren Lernwegen und schulen pädagogische Fachkräfte. Und das nicht nur in Offenburg. Auch in anderen Städten haben sie KICKFAIR bereits etabliert – zum Beispiel in Speyer und Gelsenkirchen.

„KICKFAIR ist der Ort, an dem jeder seine Rolle findet. Das ist der Kern, dass man immer eine Aufgabe für jeden findet, die auch zu einem passt. Das leben wir einfach bei KICKFAIR. Man sagt ja auch, jeder hat sein Talent oder seine Fähigkeiten, man muss sie nur rausfinden. Und durch den Platz, den man bei KICKFAIR bekommt, hast du einfach auch die Möglichkeit, deine Rolle zu finden.“

Genau dafür übernehmen sie Verantwortung und sind in ganz verschiedenen Rollen unterwegs. Zum Beispiel Emely, die selbst noch zur Schule geht und immer weiter in die Rolle als Youth Leader wächst und ihre Erfahrungen bereits weitergibt. Oder Saher, der schon seit 16 Jahren dabei ist und neben seiner Arbeit nach wie vor regelmäßig vorbeikommt, um mit einem Augenzwinkern „nach dem Rechten zu sehen“, oder Aydel, der sich als selbstständiger Unternehmer freie Stunden blockt, um Andi zu unterstützen oder als KICKFAIR Vor- stand überall in Deutschland Mitstreiter*innen zu begeistern. Jessi, die als Journalistin Schichten frei macht, um KICKFAIR mit ihrer Expertise in Kommunikationsfragen zu unterstützen und Maher, der als Jugend- und Heimerzieher KICKFAIR sogar in seiner Arbeitszeit gestaltet. All das sind Beispiele für viele Jugendliche und Youth Leader, die den Standort Offenburg zu dem machen, was er bis heute ist: Ein Rückzugort. Eine Beheimatung. Ein Ort, an den alle immer wieder zurückkehren.

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